Eine Familie mit 3 Kindern - ein Kinderspiel.

Kategorie: Leben mit Herrn Wilms

Das erste Mal in der Tagesklinik

Das Maimädchen liebt Auto fahren. So war es heute Morgen ein Leichtes, sie zum losfahren zu bewegen. Parken, aussteigen, zur Klinik laufen, kein Problem. Der Weg ist ihr noch nicht vertraut. Als wir dann vor dem Eingang der Klinik stehen und ihr bewusst wird, wo wir sind, lässt sie kurz verlauten, dass sie nun doch lieber wieder Auto fahren würde. Glücklicherweise hält das nur kurz an und wir können sie problemlos davon überzeugen, dass sie mit herein kommen muss.

Als Erstes geht es zum „Fingerpieks“. Dort wird ein wenig Blut aus der Fingerbeere entnommen, um die wichtigsten Blutwerte zu erhalten. Mit ein paar Tränchen und einem Prinzessin Lillifee-Pflaster ist das schnell überstanden. Als Belohnung dürfen sich die Kinder noch etwas von einem reich gedeckten Geschenketisch aussuchen.
Dann geht es hoch auf die Station. Dort befindet sich auch die Tagesklinik. Wie ein alter Hase spaziert sie herein und begrüßt die bekannten Gesichter. Vor ihrem ehemaligen Zimmer bleibt sie stehen und will rein gehen. Die Macht der Gewohnheit.
Wir marschieren weiter zur Tagesklinik. Nach kurzem Warten kommen wir dran, berichten von unserem ersten Wochenende zu Hause, stellen Fragen, die aufgekommen sind.
Die Blutwerte sind gut. Unser Maimädchen wird noch kurz untersucht und wir dürfen schon wieder nach Hause. Bestens.
Am Freitag wird es wohl etwas länger dauern. Die nächste Chemo steht an und es wird ein Ultraschall zur Verlaufskontrolle geben.

Das wird nun Routine für die nächsten Wochen: In die Klinik fahren, Untersuchungen, Chemo. Dann kommt die OP und dann werden wir weitersehen.

Alles wird gut. Kopf heben und hoffen.

Zu Hause

Das FullHouse ist wieder vollzählig. Wir freuen uns auf ein schönes, sonniges Wochenende.

Aufwärts nach dem ersten Tief

Gestern war ich nicht in der Klinik. Eigentlich war es auch so abgemacht. Morgens sollte noch eine Untersuchung beim HNO stattfinden, von der uns gesagt wurde, dass wir ordentlich Wartezeit mitbringen sollten. Es ist schon anstrengend genug, ein Kleinkind über zwei Stunden zu beschäftigen, aber dann auch noch ein Baby dabei zu haben ist im Moment einfach etwas viel.
So habe ich mich dazu entschieden, ein Hilfsangebot von einer wahnsinnig netten Mama anzunehmen und den Babysohn bespaßen zu lassen, um mich ein wenig um den Haushalt zu kümmern. Da die Große immer noch vor sich hin schnieft war auch ein Nachmittagsbesuch nicht drin.

Als mein Wecker klingelt merke ich schnell, dass die unregelmäßigen Schlafzeiten der letzten anderthalb Wochen sich bemerkbar machen. Ich habe Migräne. Die Große will nicht aufstehen, zu allem Überfluss fängt auch noch das Baby an zu schnöddern. Das ist dann irgendwie endgültig zu viel für mich. Die Tränen rinnen und ich kann mich kaum beruhigen. Irgendwann ist dann die Große doch aus dem Haus und ich lege mich nochmal hin, bis meine Hilfe kommt. Die Kopfschmerzen werden besser und ich erinnere mich daran, dass meine Freundin mir die Nummer einer Freundin gegeben hat, die bei der Diakonie arbeitet und mir vielleicht weiter helfen kann. Ich nehme Kontakt auf, weil ich nun wirklich merke, dass die Kräfte schwinden. Wir führen ein Gespräch über mögliche Hilfen in unserer Situation und ich fühle mich ein wenig besser. Auch meine heutige Hilfe kommt und ich kann ein wenig putzen.
Als die Große am Mittag aus der Schule kommt und wir die üblichen Routinen (Essen, Hausaufgaben) hinter uns haben trifft es mich nochmal. Ich habe trotz strahlendem Sonnenschein nicht das Bedürfnis, raus zu gehen. Ich weiß, dass ich irgendwas tun muss, damit ich nicht wieder vor ihr zusammenbreche. Übersprungshandlung: Wir fahren zu Ikea. Immerhin kann ich so endlich den Topf ersetzen, der mir vor kurzem kaputt gegangen ist. Wer weiß, wann wir dort sonst wieder hin kommen.
Am Abend telefonieren wir. Es war kein schöner Tag ohne die beiden.

Heute morgen ging es besser.
Die Ärzte machen uns Hoffnung. Morgen (also am Freitag) gibt es die nächste Chemo und es soll noch ein Ultraschall der Nieren gemacht werden. Dann geht es nach Hause. Sie ist von der Dauer-Glucose-Infusion ab, das Fieber kommt nicht wieder.
Ich wage noch nicht wirklich, mich zu freuen. Zum Einen habe ich Angst, dass doch noch etwas dazwischen kommt, zum Anderen habe ich einfach immer noch Angst vor dem neuen Alltag.

Das Maimädchen ist so gut drauf wie eh und jeh. Alles wird gut. Wir hoffen weiter.

Diagnose und erste Aussichten

Heute war ich wieder morgens im Krankenhaus und habe das erste Mal die Visite mitbekommen. Die Ergebnisse aus Heidelberg sind da: Die Experten haben die Diagnose der Ärzte bestätigt. Das Maimädchen hat eine beidseitige Nephroblastomatose und einen ca. 5 cm großen Wilms-Tumor an einer Niere. Die Therapie bleibt daher wie bereits angefangen. Die nächsten Wochen gibt es Chemo mit regelmäßiger Kontrolle mittels Sonografie und MRT. Nach der OP in drei bis vier Monaten und dem sich dann ergebenden Befund richtet sich das weitere Vorgehen (Chemo, Bestrahlung).
Wenn die Blutungen aufhören, geht es für die Beiden nach Hause. Die Chemotherapie wird ambulant durchgeführt.

Davor habe ich ehrlich gesagt ziemlich Respekt. Ich bin mir noch gar nicht im Klaren darüber, was hier die nächsten Wochen und Monate auf uns zukommen wird. Wahrscheinlich ist das auch besser so. Aber wie heißt es so schön: Man wächst mit seinen Aufgaben.
In der Klinik haben wir einen Ordner bekommen, in dem schon so einiges über den Umgang mit der Chemotherapie bzw. mit den Patienten steht. Ich hatte mich gerade damit abgefunden, dass mein Haushalt nicht zu den saubersten zählt und gelernt, auch mal ein Auge zuzudrücken und den Dreck Dreck sein zu lassen. Das wird nun wohl anders. Auch die Ernährungsgewohnheiten müssen wir verändern. Das Maimädchen wird auf ihr geliebtes Müsli verzichten müssen. Ich hoffe, wir finden akzeptablen Ersatz.

Doch eigentlich ist das ja auch alles nebensächlich, Hauptsache ist doch, dass unser kleines Mädchen wieder gesund wird. Die Ärzte geben uns Hoffnung.

Frühlingsanfang

Aus dem Krankenhaus gibt es nichts Neues. Das Fieber bleibt unten, der Appetit lässt auf sich warten. Chips gehen immer. Heute Nachmittag habe ich ein paar Einkäufe gemacht, damit das Maimädchen etwas dort hat, was sie mag.

Mitbringsel ins Krankenhaus

Heute Nachmittag war ich mit der Großen und dem Vollmondbaby unterwegs. Bilderbuchkino in der Bücherei. Das Gefühl, dass jemand fehlt ist einfach so groß.

Am Abend klingelt es an der Tür. Noch eine liebe Nachbarin, die keine Worte findet. Wir nehmen uns in den Arm, weinen. Wir wohnen jetzt seit fünf Jahren hier im Ort. Ich war mir nie sicher, ob wir schon angekommen sind. Jetzt merke ich, dass wir mittendrin sind.

Heute ist Frühlingsanfang. Draußen stürmt und regnet es. Ich habe heute Frühlingsgrüße geschenkt bekommen. Ich möchte so gerne hoffen und doch ist die Angst so stark.

Frühlingsgrüße

 

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Heute nur kurz

Das Fieber ist mit Novalgin unter Kontrolle und nicht mehr gestiegen. Wir pendeln uns auf 37, irgendwas ein. Der Entzündungswert gibt keinen Grund zur Besorgnis. Wahrscheinlich doch eine virale Geschichte. Es ist auch möglich, dass die Medikamente schon wirken und das Fieber eine Reaktion des Körpers auf den Zerfall des Tumors ist.

Langer Mittagsschlaf heute, kein Appetit. Dafür ausgedehnte Kuscheleinheit mit Babybruder.

Die Große sagte heute: „Das ist jetzt die zweite Woche ohne Papa und das Maimädchen.“ Ich hoffe, sie wird endlich gesund, damit ich sie wenigstens wieder mit ins Krankenhaus nehmen kann.

Unser erster Urlaub zu fünft – sollte wohl nicht sein

Ausschlafen, in Ruhe frühstücken, eine Familienrunde mit dem Hund und dann auf ins Schwimmbad. Kinderlachen, Wellenrauschen, Pommes und abends glücklich vor Erschöpfung einschlafen und auf den nächsten Tag im Schwimmbad freuen.

So sollte unser Wochenende aussehen. Wir Urlaubsmuffel wollten tatsächlich für zwei Tage dem Alltag entfliehen und einen Kurzurlaub in der Bispinger Heide verbringen, um am Montag mit frischen Kräften weiter nach Hannover zu einer Hochzeit zu fahren.

Stattdessen: Aufwachen um drei, um vier, um fünf, aus dem Bett um sechs, weil das Grübeln einfach nicht nachlässt. Was macht die Kleine? Wie geht es ihr? Verträgt sie die Medis? Frühstücken, um irgendwas im Magen zu haben. Den Hund in den Garten schicken, weil es regnet und stürmt. Stille.

Um halb acht die erste Nachricht aus dem Krankenhaus. Der Kleinen geht es ok, sie hat Fieber bekommen. Ein wenig Vormittagsroutine mit der Großen. Um zehn spuckt das Maimädchen das erste Mal. Die Wohl bekannteste Nebenwirkung der Chemotherapie. Saugen, Wäsche, Abwasch. Nach dem Mittag wird die Große wieder zu Freunden gebracht und ich kaufe schnell noch ein paar Leckereien für die Beiden im Krankenhaus.

Als ich dort ankomme schlafen die zwei. Die Kleine sieht erschöpft aus. 39,9 Fieber hatte sie heute Mittag. Die fiebersenkenden Medikamente wirken nicht so richtig. Niemand weiß so richtig, woher das Fieber kommt. Wir hoffen auf einen viralen Infekt, da ihre Nase läuft. Zwischenzeitlich sinkt das Fieber unter 39 Grad. Ihr erstes Essen heute besteht aus Chips und Milchschnitte. Ausnahmezustand. Das Essen bleibt drin. Immer noch Blut im Urin.

Als ich fahre bekommt sie nochmal etwas zum Fieber senken doch erst das Paracetamol um halb sieben bringt die Temperatur endlich auf 37,2.

Zu Hause dann das tägliche Telefonat mit den Eltern. Statusbericht. Und eine weitere liebe Freundin anrufen, um ihr davon zu erzählen. Gemeinsam weinen, es nicht fassen können. So viele Telefonate, Gespräche in der letzten Woche, die ich am liebsten nie geführt hätte. Und so viele liebe Worte und Hilfsangebote. „Alles wird gut“ sagt meine Freundin, „wir dürfen den Kopf nicht hängen lassen und die Hoffnung nicht aufgeben!“

Alles wird gut. Wir heben den Kopf und hoffen.

Eine unwirkliche Woche

Manchmal hoffe ich immer noch, ich erwache gleich aus diesem Alptraum. Es ist alles so irreal. Alles um einen herum läuft, als wäre nichts passiert und man selber fühlt sich als Zuschauer im falschen Film.

Am Samstag fährt mich der Mann meiner Freundin in die Klinik, damit ich meine Beiden mit Klamotten ausstatten kann. Dieser Klinikbesuch wird wohl noch etwas dauern. Mein Mann und ich schauen uns an und können nicht fassen, was da gerade passiert. Das Maimädchen wird auf die onkologische Station verlegt. Wir bekommen Info darüber, welche Voruntersuchungen noch gemacht werden müssen, um die Therapie zu beginnen. An der einen Niere ist die Diagnose Wilms-Tumor recht sicher, an der anderen Niere könnte es sich um Nephroblastomatose (eine Vorstufe des Wilms-Tumors) handeln. Das muss aber ein Expertengremium beurteilen. Außerdem wird geschaut, ob sich schon Metastasen gebildet haben. Vor der Chemotherapie müssen unter anderem Herz und Gehirn auf eventuelle Vorschädigungen untersucht werden. All das soll in der nächsten Woche passieren. Die Blutungen lassen langsam nach.

Sonntag fahre ich mit den beiden anderen Kindern ins Krankenhaus. Die beiden Mädchen spielen miteinander, der Bruder wird bekuschelt. Mir fällt es so unglaublich schwer, wieder nach Hause zu fahren. Wir wollen für die Große den Alltag mit Schule und Hobbys so gut es geht aufrecht erhalten. Zu Hause schnappen wir uns den Hund und wir gehen bei strahlendem Sonnenschein spazieren. Wie surreal die Situation ist. In mir strahlt gerade gar nichts mehr. Tiefe Traurigkeit.

Die Woche geht irgendwie um. Die Große hat sich erkältet und so hat sie erst mal Besuchsverbot im Krankenhaus. Glücklicherweise kann ich sie so bei meiner Freundin unterbringen, dass ich in die Klinik fahren kann, ohne unter Zeitdruck zu stehen.

Die Untersuchungen gehen voran und geben uns ein wenig Hoffnung. Höchstwahrscheinlich keine Metastasen. Herz und Gehirn sind völlig ok. Eine genaue Beurteilung bezüglich des Tumors gibt es erst, wenn die Experten die Ergebnisse bewertet haben, das dauert aber bis Anfang nächster Woche. Wahrscheinlich haben wir Glück im Unglück gehabt, dass in der einen Niere diese Blutung aufgetreten ist. In den meisten Fällen entdeckt man den Wilms-Tumor erst dann, wenn sich bei der Rückenlage des Kindes die Bauchdecke vorwölbt. Davon sind wir weit entfernt. Jedoch sind nur in einem Prozent der Fälle beide Nieren betroffen, was die Situation nicht gerade vereinfacht.

Dummerweise haben die Blutungen in der einen Niere wieder zugenommen. Im Ultraschall ist kein Blutungsherd erkennbar. Die Ärzte beschließen, die Chemotherapie schon zu beginnen, damit die Blutungen gestoppt werden. Gestern hat das Maimädchen dazu einen zentralen Venenkatheter gelegt bekommen, damit sie in Zukunft nicht mehr gepiekst werden muss. Jede Medikamentengabe und jede Blutabnahme kann nun über diesen Dauerkatheter erfolgen, was es insbesondere für die kleinen Patienten natürlich bedeutend leichter macht. In der Nacht gab es dann noch ein Erythrozytenkonzentrat, da der Hb-Wert durch die andauernde Blutung stark gesunken war.

Heute gab es nun die erste Dosis der Chemotherapie. Die kleine Maus ist so unglaublich tapfer. Während die Flüssigkeiten in ihren Körper injiziert wurden ist sie einfach eingeschlafen und hat ihren Mittagsschlaf gemacht. Bis heute Abend geht es ihr gut und sie hat noch keine Anzeichen der befürchteten Übelkeit. Drücken wir die Daumen, dass das so bleibt.

Wie uns der Boden unter den Füßen weggezogen wurde

Letzten Freitag stand die Welt plötzlich still für uns. Eines der schlimmsten Dinge, die Eltern passieren können, ist uns geschehen. Wir haben die Diagnose bekommen, dass unsere zweite Tochter Krebs hat.

Wir waren gerade so glücklich, es lief alles perfekt. Wir erholten uns langsam von der ersten anstrengenden Zeit mit unserem Vollmondbaby, unser großes Mädchen hat das erste Halbjahr Schule erfolgreich gemeistert und ist gerade wirklich „groß“ geworden, das Maimädchen steckt gerade mitten in der Selbstständigkeitsphase und freut sich darauf, im Sommer in den Kindergarten zu gehen. Es spielte sich gerade alles ein, nur um vom einen Moment auf den anderen wie ein Kartenhaus zusammenzufallen.

Wir haben lange überlegt, das Thema hier anzusprechen oder einfach für uns zu behalten. Wir haben uns dazu entschieden, euch hier von dem Weg zu erzählen, den wir nun gehen werden. Wir wissen nicht, wohin dieser Weg uns führt, wir wissen nur, dass es manchmal einfacher ist, Wege nicht allein zu gehen.

Wir hatten einen wuseligen Tag. Großeinkauf für die nächste Woche bei Aldi, Lidl und dm, schnell nach Hause, um Mittag zu machen, wenn die Große aus der Schule kommt. Danach noch eine Kiste mit Babysachen für die nächste Flohmarktbörse auszeichnen. Schnell den Papa aus dem Büro holen, damit er die Kiste auch noch pünktlich weg bringt, geschafft. Und nun den Hund schnappen und in Ruhe die ersten Frühlingssonnenstrahlen genießen. Vorher noch schnell eine frische Windel für die beiden Kleinen. Und da ging es los: Blut in der Windel. Leichte Panik macht sich in mir breit. Ich versuche ruhig zu bleiben, um mir vor den Kindern nichts anmerken zu lassen, die Große ist natürlich selber nervös und bekommt Angst. Während ich versuche, sie zu beruhigen suche ich krampfhaft die Notfall-Telefonnummer meiner Hausärztin. Diese wiederum versucht, mich zu beruhigen und rät zum Abwarten. Wir gehen von einer leichten oberflächlichen Verletzung im Windelbereich aus. Als mein Mann wieder nach Hause kommt, sind wir natürlich beide etwas neben der Spur, denken aber nicht weiter darüber nach, wird schon werden.

Am Abend halte ich die nächste blutige Windel in der Hand und mir wird mulmig. Auch meine Ärztin rät nach kurzem betrachten der übersendeten Fotos zu einem Besuch in der Klinik, um das abklären zu lassen.

Es ist sieben Uhr. Wir organisieren für unsere Große eine Übernachtung bei ihrem Freund (und meiner Freundin), packen das Baby und fahren in die Uniklinik. Dort warten wir, bis die diensthabende Ärztin Zeit hat und wir dran sind.

Halb zehn. Immer noch Blut. Die Ärztin ist da. Wir überlegen, woher es kommen kann. Eine oberflächliche Verletzung ist auszuschließen. Teilweise werden kleine Blutklumpen ausgeschieden. Kein Fieber, keine Schmerzen. Nach eindringlichem Überlegen fällt mir ein, dass das Maimädchen heute Mittag von einer umgedrehten Kiste gefallen und mit dem Rücken auf einer harten Kante gelandet ist. Sie hat kurz geweint, dann war alles wieder gut. Unsere Kleine ist da hart im nehmen. Da bisher nichts anderes erkennbar ist, tippt man daher auf eine Nierenverletzung und entschließt sich, uns aufzunehmen und in der Nacht noch eine Sonografie durchzuführen. Wir entscheiden uns dazu, dass mein Mann in der Klinik bleibt, da ich zum stillen unabkömmlich bin.

Halb zwölf. Wir haben einen Platz auf der Station und der diensthabende Urologe rückt mit dem Ultraschallgerät an. Er kann keinen Blutungsherd ausmachen und irgendwie auch nicht so richtig etwas erkennen. Man sagt uns, dass unsere Tochter noch in der Nacht ins MRT soll. Wann es losgeht, wisse man noch nicht. Da der Tag einfach sehr anstrengend war, beschließen wir, dass ich nach Hause fahre. Mein Mann wird sich melden, sobald es losgeht.

Halb eins. Ich liege im Bett und versuche, etwas zu Schlafen. Um eins kommt die Nachricht, dass das MRT los geht. Ich dämmere weg.

2:27 Uhr. Mein Telefon reisst mich aus dem Dämmerschlaf. Ich höre die Stimme meines Mannes sagen, dass in beiden Nieren Tumore entdeckt wurden. Ich habe das Gefühl, ich träume noch, bin immer noch in diesem Dämmerzustand, bis mir klar wird, dass ich tatsächlich in meinem Bett sitze und telefoniere. Mein Mann sagt mir, ich solle meine Freundin anrufen, damit sie rüberkommt und ich nicht allein bin. Fünf Minuten später ist meine Freundin mit ihrem Mann da. Ich empfange sie an der Tür, wir gehen gemeinsam ins Schlafzimmer, setzen uns und ich kann immer noch nicht glauben, was ich den beiden da erzähle. Sie packen mich ein und ich verbringe den Rest der Nacht bei ihnen.

Nächster Morgen. Sieben Uhr. Ich telefoniere mit meinem Mann und er erklärt mir, dass die Ärzte auf einen Wilms-Tumor tippen. Gleich wird meine große Tochter aufwachen und ich werde ihr erklären müssen, was los ist. Wir haben schon mal über Krebs gesprochen. Darüber, dass das eine Krankheit ist, an der Leute sterben können. Ich versuche, ihr Mut zu machen, während ich weinend vor ihr sitze und mein Mut sich gerade in den hintersten Ecken meines Körpers versteckt.

Morgen beginnt die Chemotherapie.

Besuch von Herrn Wilms

Karl Maximillian „Max“ Wilhelm Wilms (* 5. November 1867 in Geilenkirchen-Hünshoven; † 14. Mai 1918 in Heidelberg) war ein deutscher Chirurg und Hochschullehrer.

Entdecker des Wilms-Tumors, auch Nephroblastom genannt.

Das Nephroblastom (auch Wilms-Tumor, nach Max Wilms, deutscher Chirurg, 1867–1918) ist der am häufigsten auftretende bösartige Nierentumor im Kindesalter. Er geht von embryonalen Geweberesten der Niere, dem sogenannten metanephrogenen Blastem, aus. Im Normalfall verschwindet dieses Gewebe spätestens bis zur 36. Schwangerschaftswoche. (Quelle: wikipedia.de)

Bei unserem Maimädchen ist dieses Gewebe nicht verschwunden…

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