Manchmal hoffe ich immer noch, ich erwache gleich aus diesem Alptraum. Es ist alles so irreal. Alles um einen herum läuft, als wäre nichts passiert und man selber fühlt sich als Zuschauer im falschen Film.

Am Samstag fährt mich der Mann meiner Freundin in die Klinik, damit ich meine Beiden mit Klamotten ausstatten kann. Dieser Klinikbesuch wird wohl noch etwas dauern. Mein Mann und ich schauen uns an und können nicht fassen, was da gerade passiert. Das Maimädchen wird auf die onkologische Station verlegt. Wir bekommen Info darüber, welche Voruntersuchungen noch gemacht werden müssen, um die Therapie zu beginnen. An der einen Niere ist die Diagnose Wilms-Tumor recht sicher, an der anderen Niere könnte es sich um Nephroblastomatose (eine Vorstufe des Wilms-Tumors) handeln. Das muss aber ein Expertengremium beurteilen. Außerdem wird geschaut, ob sich schon Metastasen gebildet haben. Vor der Chemotherapie müssen unter anderem Herz und Gehirn auf eventuelle Vorschädigungen untersucht werden. All das soll in der nächsten Woche passieren. Die Blutungen lassen langsam nach.

Sonntag fahre ich mit den beiden anderen Kindern ins Krankenhaus. Die beiden Mädchen spielen miteinander, der Bruder wird bekuschelt. Mir fällt es so unglaublich schwer, wieder nach Hause zu fahren. Wir wollen für die Große den Alltag mit Schule und Hobbys so gut es geht aufrecht erhalten. Zu Hause schnappen wir uns den Hund und wir gehen bei strahlendem Sonnenschein spazieren. Wie surreal die Situation ist. In mir strahlt gerade gar nichts mehr. Tiefe Traurigkeit.

Die Woche geht irgendwie um. Die Große hat sich erkältet und so hat sie erst mal Besuchsverbot im Krankenhaus. Glücklicherweise kann ich sie so bei meiner Freundin unterbringen, dass ich in die Klinik fahren kann, ohne unter Zeitdruck zu stehen.

Die Untersuchungen gehen voran und geben uns ein wenig Hoffnung. Höchstwahrscheinlich keine Metastasen. Herz und Gehirn sind völlig ok. Eine genaue Beurteilung bezüglich des Tumors gibt es erst, wenn die Experten die Ergebnisse bewertet haben, das dauert aber bis Anfang nächster Woche. Wahrscheinlich haben wir Glück im Unglück gehabt, dass in der einen Niere diese Blutung aufgetreten ist. In den meisten Fällen entdeckt man den Wilms-Tumor erst dann, wenn sich bei der Rückenlage des Kindes die Bauchdecke vorwölbt. Davon sind wir weit entfernt. Jedoch sind nur in einem Prozent der Fälle beide Nieren betroffen, was die Situation nicht gerade vereinfacht.

Dummerweise haben die Blutungen in der einen Niere wieder zugenommen. Im Ultraschall ist kein Blutungsherd erkennbar. Die Ärzte beschließen, die Chemotherapie schon zu beginnen, damit die Blutungen gestoppt werden. Gestern hat das Maimädchen dazu einen zentralen Venenkatheter gelegt bekommen, damit sie in Zukunft nicht mehr gepiekst werden muss. Jede Medikamentengabe und jede Blutabnahme kann nun über diesen Dauerkatheter erfolgen, was es insbesondere für die kleinen Patienten natürlich bedeutend leichter macht. In der Nacht gab es dann noch ein Erythrozytenkonzentrat, da der Hb-Wert durch die andauernde Blutung stark gesunken war.

Heute gab es nun die erste Dosis der Chemotherapie. Die kleine Maus ist so unglaublich tapfer. Während die Flüssigkeiten in ihren Körper injiziert wurden ist sie einfach eingeschlafen und hat ihren Mittagsschlaf gemacht. Bis heute Abend geht es ihr gut und sie hat noch keine Anzeichen der befürchteten Übelkeit. Drücken wir die Daumen, dass das so bleibt.