Letzten Freitag stand die Welt plötzlich still für uns. Eines der schlimmsten Dinge, die Eltern passieren können, ist uns geschehen. Wir haben die Diagnose bekommen, dass unsere zweite Tochter Krebs hat.
Wir waren gerade so glücklich, es lief alles perfekt. Wir erholten uns langsam von der ersten anstrengenden Zeit mit unserem Vollmondbaby, unser großes Mädchen hat das erste Halbjahr Schule erfolgreich gemeistert und ist gerade wirklich „groß“ geworden, das Maimädchen steckt gerade mitten in der Selbstständigkeitsphase und freut sich darauf, im Sommer in den Kindergarten zu gehen. Es spielte sich gerade alles ein, nur um vom einen Moment auf den anderen wie ein Kartenhaus zusammenzufallen.
Wir haben lange überlegt, das Thema hier anzusprechen oder einfach für uns zu behalten. Wir haben uns dazu entschieden, euch hier von dem Weg zu erzählen, den wir nun gehen werden. Wir wissen nicht, wohin dieser Weg uns führt, wir wissen nur, dass es manchmal einfacher ist, Wege nicht allein zu gehen.
Wir hatten einen wuseligen Tag. Großeinkauf für die nächste Woche bei Aldi, Lidl und dm, schnell nach Hause, um Mittag zu machen, wenn die Große aus der Schule kommt. Danach noch eine Kiste mit Babysachen für die nächste Flohmarktbörse auszeichnen. Schnell den Papa aus dem Büro holen, damit er die Kiste auch noch pünktlich weg bringt, geschafft. Und nun den Hund schnappen und in Ruhe die ersten Frühlingssonnenstrahlen genießen. Vorher noch schnell eine frische Windel für die beiden Kleinen. Und da ging es los: Blut in der Windel. Leichte Panik macht sich in mir breit. Ich versuche ruhig zu bleiben, um mir vor den Kindern nichts anmerken zu lassen, die Große ist natürlich selber nervös und bekommt Angst. Während ich versuche, sie zu beruhigen suche ich krampfhaft die Notfall-Telefonnummer meiner Hausärztin. Diese wiederum versucht, mich zu beruhigen und rät zum Abwarten. Wir gehen von einer leichten oberflächlichen Verletzung im Windelbereich aus. Als mein Mann wieder nach Hause kommt, sind wir natürlich beide etwas neben der Spur, denken aber nicht weiter darüber nach, wird schon werden.
Am Abend halte ich die nächste blutige Windel in der Hand und mir wird mulmig. Auch meine Ärztin rät nach kurzem betrachten der übersendeten Fotos zu einem Besuch in der Klinik, um das abklären zu lassen.
Es ist sieben Uhr. Wir organisieren für unsere Große eine Übernachtung bei ihrem Freund (und meiner Freundin), packen das Baby und fahren in die Uniklinik. Dort warten wir, bis die diensthabende Ärztin Zeit hat und wir dran sind.
Halb zehn. Immer noch Blut. Die Ärztin ist da. Wir überlegen, woher es kommen kann. Eine oberflächliche Verletzung ist auszuschließen. Teilweise werden kleine Blutklumpen ausgeschieden. Kein Fieber, keine Schmerzen. Nach eindringlichem Überlegen fällt mir ein, dass das Maimädchen heute Mittag von einer umgedrehten Kiste gefallen und mit dem Rücken auf einer harten Kante gelandet ist. Sie hat kurz geweint, dann war alles wieder gut. Unsere Kleine ist da hart im nehmen. Da bisher nichts anderes erkennbar ist, tippt man daher auf eine Nierenverletzung und entschließt sich, uns aufzunehmen und in der Nacht noch eine Sonografie durchzuführen. Wir entscheiden uns dazu, dass mein Mann in der Klinik bleibt, da ich zum stillen unabkömmlich bin.
Halb zwölf. Wir haben einen Platz auf der Station und der diensthabende Urologe rückt mit dem Ultraschallgerät an. Er kann keinen Blutungsherd ausmachen und irgendwie auch nicht so richtig etwas erkennen. Man sagt uns, dass unsere Tochter noch in der Nacht ins MRT soll. Wann es losgeht, wisse man noch nicht. Da der Tag einfach sehr anstrengend war, beschließen wir, dass ich nach Hause fahre. Mein Mann wird sich melden, sobald es losgeht.
Halb eins. Ich liege im Bett und versuche, etwas zu Schlafen. Um eins kommt die Nachricht, dass das MRT los geht. Ich dämmere weg.
2:27 Uhr. Mein Telefon reisst mich aus dem Dämmerschlaf. Ich höre die Stimme meines Mannes sagen, dass in beiden Nieren Tumore entdeckt wurden. Ich habe das Gefühl, ich träume noch, bin immer noch in diesem Dämmerzustand, bis mir klar wird, dass ich tatsächlich in meinem Bett sitze und telefoniere. Mein Mann sagt mir, ich solle meine Freundin anrufen, damit sie rüberkommt und ich nicht allein bin. Fünf Minuten später ist meine Freundin mit ihrem Mann da. Ich empfange sie an der Tür, wir gehen gemeinsam ins Schlafzimmer, setzen uns und ich kann immer noch nicht glauben, was ich den beiden da erzähle. Sie packen mich ein und ich verbringe den Rest der Nacht bei ihnen.
Nächster Morgen. Sieben Uhr. Ich telefoniere mit meinem Mann und er erklärt mir, dass die Ärzte auf einen Wilms-Tumor tippen. Gleich wird meine große Tochter aufwachen und ich werde ihr erklären müssen, was los ist. Wir haben schon mal über Krebs gesprochen. Darüber, dass das eine Krankheit ist, an der Leute sterben können. Ich versuche, ihr Mut zu machen, während ich weinend vor ihr sitze und mein Mut sich gerade in den hintersten Ecken meines Körpers versteckt.
Morgen beginnt die Chemotherapie.
Nadine
Danke, dass ich daran teilhaben kann. Ich denke ganz viel an euch! Ich habe auch Kinder und es berührt mich sehr! Mir fehlen ein wenig die passenden Worte….
HerzKoenigin
Liebe Nadine, hier braucht niemand „passende Worte“ haben, um bei uns zu sein und mit uns zu fühlen. Denk einfach weiter an uns. Es hilft mir tatsächlich sehr, wenn ich weiß, dass da Leute sind, die uns gedanklich unterstützen! Danke!